top of page

Verein SSV Vogelstang

Über den SSV Vogelstang

Geschichte Teil 1.jpg
Geschichte Teil 2.jpg

Als am 24. August 1963 der Startschuss zur Fußball-Bundesliga fiel, gab es den Mannheimer Stadtteil Vogelstang noch gar nicht, geschweige denn einen ansässigen Sportverein. Die Grundsteinlegung zum jungen Bezirk, der zwischen Käfertal und Wallstadt aus dem Boden gestampft wurde, erfolgte erst ein knappes Jahr später, am 10. September 1964. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich Klubs wie etwa der SV Waldhof im Norden, der VfR Mannheim im Zentrum oder der VfL Neckarau im Süden längst als treibende Kräfte in der Fußball-Szene der Quadratestadt etabliert. Das Feld war also sozusagen schon bestellt, als am 28. Juli 1968 der Sport- und Spielverein (SSV) Vogelstang ins Leben gerufen wurde.

 

Der Klub war aus dem zwei Jahre zuvor entstandenen „Gemeinnützigen Bürgerverein“ hervorgegangen, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, sich der Belange der rund 10.000 Einwohner des neuen Stadtteils anzunehmen. Um das sportliche Angebot von Tischtennis und Schach zu erweitern, wurde der SSV gegründet, dessen Fußballer zunächst auf dem Hartplatz der SpVgg Wallstadt heimisch wurden.

 

Da sie zu Beginn ihrer Existenz noch nicht am Spielbetrieb teilnehmen durften, mussten sich die Rot-Schwarzen in der Saison 1968/69 noch mit Freundschaftskicks begnügen, die gegen die SpVgg Wallstadt sowie den ebenfalls gerade neu entstandenen FC 67 Waldhof verloren gingen. Ein großer Tag in der jungen Geschichte des SSV war der 12. September 1968, als Alt-Bundestrainer Sepp Herberger anlässlich des Stadtteil-Richtfestes den Vogelstängler Nachwuchs-Fußballern mit den Worten „auf dass der Fußball im neuen Stadtteil blühe!“ einen Ball überreichte.

 

Zum Debüt im regulären Spielbetrieb kam es schließlich in der Runde 1969/70, als der SSV unter Trainer Günther Hoffmann in der B-Klasse startete und die Premieren-Saison auf dem zehnten Platz abschloss. Doch die Formkurve zeigte nach oben. Schon im Mai 1971 zählte der Verein 140 aktive Jugendliche, um die sich allerdings gerade mal vier Betreuer kümmerten. Aufrufe im „Vogelstang Echo“ und in persönlichen Briefen sollten diesen Missstand beheben. Werbung in eigener Sache machte der Verein mit dem Erringen der B-Klassen-Meisterschaft 1974, als im ganzen Land bedingt durch die bevorstehende WM im eigenen Land ohnehin das Fußballfieber grassierte. In einem spannenden Zweikampf mit der SG Hohensachsen setzte sich die mittlerweile von Jürgen Schult betreute SSV-Elf durch und feierte mit zwei Punkten Vorsprung auf die Bergsträßer den Titel in der Staffel Nord. Es kam aber noch besser: Am 12. Mai 1974 trat sie auf dem Phönix-Platz gegen den Gewinner der Staffel Süd, den ESV Blau-Weiß, an und sicherte sich mit einem humorlosen 7:1 auch noch die Kreismeisterschaft der B-Klasse.

 

Das Abenteuer in der A-Klasse Nord war allerdings nur von kurzer Dauer. Postwendend ging es wieder runter, obwohl die Vogelstängler lange Zeit den rettenden vorletzten Platz belegten. Doch der direkte Konkurrent SC Neckarstadt holte aus den letzten vier Begegnungen wundersame acht Punkte und stand am Ende einen Zähler vor dem SSV. Kleiner Trost: In jener Zeit errichtete die Stadt einen weiteren Sportplatz Auf den Ried in unmittelbarer Nachbarschaft der SpVgg Wallstadt – im Schatten der Vogelstang-Hochhäuser und nur einen Steinwurf vom Vogelstang-See entfernt. Der SSV war also nicht mehr länger auf den Nachbarn angewiesen. Zumindest, was das Spielfeld betraf. Denn auf Umkleidekabinen mussten die Rot-Schwarzen nach wie vor verzichten und diesbezüglich weiterhin auf den Trakt der Wallstädter zurückgreifen.

 

Während die Senioren trotz nagelneuer, im Mai 1977 errichteter Flutlichtanlage noch im Dunkeln tappten, machte die D-Jugend des SSV von sich reden. Völlig überraschend sicherten sich die Nachwuchskicker in der Halle die Mannheimer Kreismeisterschaft und setzten sich dabei auch gegen den SVW sowie den VfR durch. Damit nicht genug: Im Finale um die badische Meisterschaft ließen die Zehn- bis Zwölfjährigen die Vertreter der anderen Kreise stehen und besiegten im Endspiel den Ausrichter 1.FC Birkenfeld mit 1:0. Es sollte nicht der letzte Husarenritt einer SSV-D-Jugend gewesen sein…

 

1982 übernahm der frühere Waldhöfer und VfRler Dieter Sagray das Traineramt – und mit ihm sollte es nach fast zehnjähriger Durststrecke wieder aufwärts gehen. Punktgleich teilten sich die Rot-Schwarzen den Platz an der Sonne mit dem VfL Hockenheim, den sie im Entscheidungsspiel am 8. Mai 1983 mal eben mit 4:0 abfertigten. Es war die vielleicht glorreichste Epoche des Klubs, denn auch die Jugendmannschaften hatten sich zu den stärksten der Stadt gemausert. Von elf Nachwuchsteams wurden vier Meister ihrer Staffel. „Wir haben damals sicherlich von der Trabantensituation profitiert“, erklärt der langjährige Abteilungsleiter Helmut Samstag das Erfolgsgeheimnis. Die Vogelstang war als sozialer Brennpunkt mit vielen kinderreichen Familien eine Brutstätte für talentierte Straßenkicker, der SSV ein ideales Auffangbecken.

 

1984/85 erlebte der SSV ein fantastisches Jahr. Die von Rainer Bartsch trainierte D-Jugend war in der Quadratestadt das Maß aller Dinge und ließ im Titelrennen der Sonderstaffel auch die Altersgenossen von VfR und SVW locker hinter sich. Mit 34-2 Punkten enteilte der SSV der Konkurrenz und gewann später auch noch die badische Meisterschaft mit einem 1:0 gegen den SV Blankenloch. „Weiter ging es in dieser Altersklasse nicht“, bedauert Thorsten Hinz, der damals Teil jenes Teams war und dem Verein bis heute in den verschiedensten Funktionen – unter anderem als Co-Trainer – treu geblieben ist. Wer weiß, wozu die SSV-D-Junioren sonst in der Lage gewesen wären, hätten sie um die süddeutsche oder gar deutsche Meisterschaft spielen dürfen…

 

„Selbst der Hamburger SV konnte uns nicht stoppen“, erinnert sich Hinz. 1:0 gewannen die Mannheimer ein Gastspiel in der Hansestadt. Mit Sven Zahnleiter (VfB Gartenstadt) und Markus Helfenstein (SC Käfertal) – die beide aus der Vogelstang stammten, aber in anderen Klubs spielten – komplettierte der SSV vor der Runde 84/85 sein unschlagbares Team. Einziger Nachteil: Die Umkleidekabinen befanden sich noch immer auf dem Gelände der SpVgg Wallstadt und lagen somit rund 700 Meter Fußweg vom SSV-Platz entfernt. Da war schon so mancher Gegner vor Spielbeginn mit seinen Kräften am Ende. Weitere Mitglieder jener fast schon legendären Mannschaft waren die beiden US-Boys Hector Delarosa und Craig Young (beide Söhne in Mannheim stationierter Soldaten) sowie Jens Koppetsch, Bernd Elias, Malte Peter oder Stephan Hanke, der immerhin 62 Bundesliga-Spiele für Bayer Leverkusen und den FC St. Pauli absolvierte. Vergangene Woche unterschrieb der mittlerweile 33-Jährige einen Zweijahresvertrag beim Süd-Regionalligisten SV Darmstadt 98.

 

„Wir waren eine Riesentruppe“, kriegt Hinz noch immer funkelnde Augen, wenn er an diese glorreiche Zeit zurückdenkt. Im Folgejahr flog die SSV-D-Jugend nach Florida, um an einem internationalen Turnier teilzunehmen, das sie natürlich gewann. Als C-Jugend wurde sie 1987 in nahezu unveränderter Formation badischer Vizemeister und verpasste somit nur haarscharf den Sprung zur „Süddeutschen“. Anschließend trennten sich die Wege der jungen Spieler, die sich in alle Winde verstreuten.

 

Die Senioren hatten derweil im Aufstiegsrennen der A-Klasse Pech. Die Sagray-Elf lieferte sich 84/85 mit dem FV Brühl und dem SC Pfingstberg einen erbitterten Dreikampf. „Das entscheidende Duell haben wir leider zu Hause gegen den FVB 1:3 verloren“, erinnert sich Samstag. „Am Ende wurden wir zum zweiten Mal in Folge Dritter.“ Und nach dieser Saison, in der der SSV mit drei die wenigsten Niederlagen kassierte, verließen neben Coach Sagray gleich 13 Akteure den Klub – ein Großteil wechselte in die Landesliga. Nur ein Jahr später ging es folgerichtig in die B-Klasse, während sich der SV Waldhof nach und nach die starken Jugendspieler abgriff. „Wir hatten natürlich nicht die finanziellen Mittel, um unseren Talenten eine langfristige Perspektive zu bieten.“ Und so wurde der SSV wieder in Mannheims tiefster Spielklasse heimisch, während die Jugendarbeit weiterhin Früchte trug und beispielsweise die A-Junioren in der Verbandsliga – der höchsten Spielklasse – mitmischten. Die Zustände waren allerdings weiterhin nicht standesgemäß, denn der SSV verfügte schließlich über keinen Rasenplatz und der lange Fußmarsch der Gästeteams – etwa eines KSC mit Keeper Oliver Kahn – von den Kabinen zum „roten Platz“ war den Verantwortlichen mitunter ganz schön peinlich. Die Kabinen kamen erst Anfang der 90er Jahre.

 

Unter Trainer Willi Ritz schaffte der SSV Vogelstang 1990/91 ohne eine einzige Niederlage (16-8-0) wieder den Aufstieg in die A-Klasse, musste aber wie schon zuvor nach nur dreijähriger Zugehörigkeit 1994 wieder runter: In der Relegation zogen die Rot-Schwarzen gegen den SV Schwetzingen II mit 1:2 den Kürzeren. Nach einem spannenden Dreikampf gegen die SG Viernheim (51-13 Punkte, +67 Tore) und dem TV 1877 Waldhof (51-13, +55) gelang dem SSV (51-13, +73) unter Coach Rudi Heidt und mit Torjäger Thomas Vogrin – heute Pächter des Klubhauses Auf den Ried – der sofortige Wiederaufstieg. Diesmal dauerte das Gastspiel allerdings nur zwei Jahre. 1997 wurde der SSV nur Vorletzter und musste erneut in die Relegation. Vor 500 Zuschauern auf der Anlage des TSV Viernheim unterlagen die dabei Fortuna Heddesheim mit 3:6 nach Elfmeterschießen. Ironie des Schicksals: Ausgerechnet der heutige SSV-Torjäger Marcus Sydlo verwandelte damals den entscheidenden Strafstoß für die Fortuna.

 

Aus dem SSV war eine Fahrstuhlmannschaft geworden. 1999 stieg er zum fünften und bisher letzten Mal in die A-Klasse auf. Seit nunmehr sieben Jahren sind die Vogelstängler also in dieser Liga zu Hause – so lange wie nie zuvor. Über die A-Klasse hinaus sind sie allerdings nie gekommen. „Dazu fehlen uns einfach die Mittel“, sagt Samstag. „Und natürlich ist auch der fehlende Rasenplatz ein Grund dafür, dass uns immer wieder Spieler verlassen.“

 

Das soll sich allerdings bald ändern. Der knapp 1100 Mitglieder zählende Verein (neben Fußball gibt es auch die Abteilungen Handball, Volleyball, Turnen und Tischtennis) hat eine Initiative „Rasenplatz“ ins Leben gerufen. „Es wird jedoch noch eine Weile dauern, bis wir die entsprechende Summe zusammenhaben“, so Samstag. In ein bis zwei Jahren soll neben dem Hartplatz noch ein zweites Spielfeld entstehen.

 

Vor knapp einem Jahr wies der „Förderverein Rasenplatz“ im Rahmen eines Aktionstages die Öffentlichkeit auf seine Pläne hin und betrieb beste Werbung in eigener Sache: Zum 20. Jubiläum der badischen Meisterschaft fand sich ein Großteil des altehrwürdigen D-Jugendteams zusammen und trat in Turnierform gegen SSV-Traditionsmannschaften an. Ein nostalgischer Tag, der an die glorreichste Epoche des SSV erinnerte.

bottom of page